Die Bachem Natter

Ein Scaleprojekt von Rolf Stabroth

Das Ziel des senkrecht startenden Raketenflugmodells ist, dass nach dem erreichen des Gipfelpunktes das Modell im Sturzflug auf ca. halber Distanz den im Bug eingebauten BC-125 als Bremstriebwerk zündet, und danach bei verringerter Geschwindigkeit den Fallschirm ausstößt.

Für die Scalierung konnte nur ein Maßstab gewählt werden, welcher die Parameter des BC-125 im Bug entsprach. Weiterhin kam nur der BC als Bremstriebwerk in Frage, weil dieser Motor von hinten und zeitlich exakt gezündet werden kann.

Für den eigentlichen Antrieb ist wegen der Masse des Modells ein AT I211 in der Lage es auf entsprechende Höhe steigen zu lassen.

Rumpf des Modells konnte nicht wie ein einfaches Rohr gefertigt werden, sondern es bedarf einer rippenförmigen Unterkonstruktion, welche es auch möglich macht, Fallschirmkammer, Schockbandkammer, Elektronikbay, Battariefächer sowie Antriebssegment und Bremsraketenaufnahmerohr abzuteilen.

Die einzelnen Kammern werden mit einer dünnen Pappe beplankt und anschließend mit vier Lagen Glasgewebe laminiert.

Um das Modell modular zu halten sollte ursprünglich der gesamten Rumpf in drei Teile gefertigt werden. Das hätte aber Nachteile in der Festigkeit und die Passgenauigkeit wäre ein Herstellungsproblem geworden.
Das Heck mit dem Motoraufnahmerohr.
Auch sind schon die Leitungen für die Timertriggerung eingebaut.
Die seitlichen 2mm Messingrohrleitungen sind für die Aufnahmeeines späteren Steuergestänges für Quer- und Höhenruder vorgesehen.
 

Das Cockpit ist freigelegt und mit seitlichen Auflegekanten für die Abdeckhaube versehen. Ganz oben ist die pyrotechnische Kolbenmechanik des späteren Fallschirmkammerdeckels zu erkennen.

Die Klappenmechanik funktioniert bestens nach dem Maurischen Prinzip.

Jetzt ist bereits die Cargo-Bay, bzw. die Fallschirmkammer freigelegt und worden.
Der Rumpf ist nun vollständig. Die Abdeckungen, welche über den Öffnungen passgenau drübergefertigt werden müssen erfordern großes handwerkliches Geschick.

Um einen gut sitzenden Cockpitgehäusedeckel herzustellen, muss man die Auflageleisten mit Trennwachs einpinseln, und darauf mit ein paar Lagen gut zurechtgeschnittenen Glasgewebe das Gebilde formen. Anschließend wird gespachtelt und auf Form geschliffen.

Der Cockpitdeckel passt haargenau und wird von vier Senkschrauben gehalten.
Der Rumpf ist mit der Electronic-Bay und der Parachute-Bay fertig gebaut.
Auch die runde Spitzenverkleidung welche vorerst das Bremstriebwerk ersetzt, ist nahtlos angepasst.

Die beiden mittleren Flügel werden aus einem Stück gefertigt. Drei Lagen Pappel- Sperrholz, dazwischen immer eine Lage Glasgewebe.
Auf der im Profil geschliffenen Oberfläche ebenfalls eine Lage Glas.
Das verleiht dem Flügel eine extrem harte Steifigkeit für höchste Belastungen.
Jetzt sieht das Modell schon eher wie ein Flieger aus.

Jetzt wird es schon langsam ein Flieger...

Um das Gewicht wenigstens etwas zu reduzieren, habe ich in der Mitte überflüssiges Material herausgeschnitten. Die Stabilität und Festigkeit, werden so nicht wesentlich beeinträchtigt.

und so wird der Flügel eingebaut. Mit vier Schrauben und Epoxy-Kleber ist er aüßerst stabil und supergerade mit dem Mitteldeck verbunden.

Die Kielflosse. In Form gebracht und mit GFK belegt.

Dem Betrachter wird auffallen, dass nicht nur das Modell seine Formen vollendet, sondern dass auch der im Hintergrund, in seinen wunderbaren herbstlichen Farben leuchtende Wein, seine Reize hat..

Das Heckleitwerk. Auf Stabilität und exakte Winkel wurde beim Zusammenbau Wert gelegt.

Auch hier beim ankleben wird große Sorgfalt auf Parallelität und gerader Montage geachtet.

Das Raketenflugmodell ist so gut wie fertig...

Die Booster fehlen noch. Nur welche Bauform der Natter soll es werden?

und so werden die Einschlagmuttern nachträglich ins Gehäuse eingebaut.

Das Modell ist fertig, und kann sich schon mal sehen lassen...

Nun geht es daran die “Innereien” einzubauen. Hier schon mal der Doppeltimer von Stefan Wimmer.

Nur noch wenige Vorbereitungen, und der erst Probestart konnte stattfinden.


Am 28.11.2004 war es dann soweit. Auf einer sehr großen, brach liegender herbstlicher Wiese startete die Bachem Natter auf einem I211.
Ich kann nicht 100%ig sagen, ob ich die Bachem genau in den Wind ausgerichtet habe. Kann also sein, dass der Wind etwas seitlich kam.
Nun, das Modell hat sich kurz nach Verlassen der Rampe in den Wind gelegt, und zwar in Bauchlage.
Wenn der Wind etwas seitlich kam, hat er vielleicht unter eine Tragfläche fassen können. So flog sie im weiteren flachem Steigflug nach oben machte dabei zwei volle Rollen. Nachdem der Schub weg war kam sie zum ganz normalen gleiten. Sie war im Endeffekt höher, als es zu Anfang aussah, denn sie hing noch eine Weile am Schirm.
Es ist aber wahrscheinlicher, dass die mit Blei gefüllte Spitze, welche nicht linear in der Schublinie des Motors liegt, diese "Kapriolen" hervorgerufen hat. Eberhard hat es schon gesagt und ich habe auch diese Meinung
Dieser Fakt ist glaube ich verantwortlich für das Rollen während der Beschleunigungsphase.
Dass sie sich gleich in den Wind gelegt hat, kann dann auch an dem vielleicht doch zu kleinem Trimmgewicht in der Spitze liegen.
Mein Fazit: den gesamten Bug bis hin zum Cockpit abtrennen, neu konstruieren mit Verlagerung des
Schwerpunktes (Spitze) nach oben, dabei vielleicht ein paar Zentimeter zugeben. Siehe Skizze.
Betreffs Bremstriebwerk denke ich doch mal, dass sich das erst einmal erledigt hat
Die Idee ist erst mal auf Eis gelegt. Ich habe immer gesagt, dass die Natter erst mal beweisen muss, dass sie fliegen kann.
Aber was noch nicht ist, kann ja mit der Zeit werden.

In den letzten Tagen des Jahres 2004 wurde die Bachem Natter umgebaut. Sie bekam eine neue Spitze.

In den einzelnen Bug-Sektionen sind vier Bleigewichte zu je 450g verbaut. Die Bachem Natter hat nunmehr ein Leergewicht von 5800g

Hier das neue Profil von allen Seiten.
Jetzt liegt die größte Masse zwar immer noch nicht ganz genau in der Schubvektorlinie, aber ein wesentliche Verbesserung der Flugeigenschaften müsste herauskommen.

Am 16.01.2005 war es dann wieder soweit. Bei strahlenden Sonnenschein und bestem Flugwetter fand der zweite Flug der Bachem Natter statt.
Der I284 hob sie von der Rampe weg und schob die Natter im steilen Winkel stabil in den blauen Himmel empor. Während des Aufstiegs rotierte sie 3-4 mal, so als wollte sie mir ein paar gekonnte Siegerrollen vorführen.

Als dann nach 8 Sekunden der Fallschirm ausgestoßen wurde, blieb den hinterherblickenden Rocketeers vor Schreck der Atem stehen. Das Schockband war gerissen, so als ob nicht der geringste Wiederstand gewesen wäre.
Die unheimlich starke Geschwindigkeit und das enorme Gewicht der Natter hatten den 2cm breiten Gurt über die Aluminiumkante der Fallschirmkammer einfach abgescheert. Die Bachem Natter schlug mit einem dumpfen Plopp in den Boden ein, zerbrach in drei Teile, wobei sich die Spitze ca. 50cm in den Boden bohrte.

Nach gutem Zureden aus der Raketenmodellbauszene hatte ich dann doch angefangen die Teile der Bachem Natter wieder zusammenzufügen.
Die nahezu unbeschädigte Spitze war relativ schnell an dem mittleren Teil angeklebt, Sehr schwierig erwies sich der Bruch hinter den Flügeln. Da gab es aber glücklicherweise ein paar Punkte welche zusammenpassten. So konnten dann die fehlenden Teile rekonstruiert werden.

Die Struktur würde zum großen Teil mit mehreren Lagen Glasgewebe und Epoxyd-Kleber ersetzt und darüber gespachtelt.

So hatte ich mir das vorgestellt:
Aber als ich mir das Szenario dann am Modell und in meiner Fantasie vorgestellt hatte, kam ich auf das Rollen beim Flug. Ich konnte mir sehr genau vorstellen, dass höchstwahrscheinlich die Schnur des Pilotschirmes sich um die Fallschirmkammer wickeln würde und nie und nimmer den Hauptfallschirm herausziehen könnte.
Da habe ich den schönen Pyroauslösemechanismus schnell wieder ausgebaut und diese Art von serieller zwei Stufenbergung verworfen.

Aber das Tubular Nylon als Schockband für den Main und die Aufhängung ist bestimmt stabil und fest genug, da ja das Bremstriebwerk die Geschwindigkeit herabsetzen soll und somit der Schock beim Fallschirmausstoß reduziert wird.

Nun blieb noch die Fallschirmkammer, welche bei der Gelegenheit etwas vergrößert wurde und eine verbesserte Form bakam.
Die Kappe des Cockpits musste nur neu eingepasst werden da sich die Auflageschinen etwas verzogen hatten.

Weiterhin bekam die Natter einen zweiten pyrotechnischen Auslösemechanismus, welcher zukünftig die Aufgabe hat, den Pilotschirm eine gewisse Zeit zu halten. Nachdem damit dann die Geschwindigkeit abgebremst wird, gibt dieser Mechanismus den Hauptschirm frei und der Pilotschirm zieht den Hauptschirm heraus.


Ein neuer Bauabschnitt beginnt

... und eine neue Konzeption der Motorisierung!

Die BC-Natter

Das neue Konzept ist aus der Notwendigkeit entstanden, eine möglichts gerade verlaufende Schubkonvektorlinie zu bekommen.

Da selbst die Verlagerung des 2kg schweren Bleigewichtes in der oberen Hälfte der Spitze nicht ausgereicht hat das Modell senkrecht in den Himmel starten zu lassen, wird mit den vier BC125 Stirnbrennern mit Peak als Booster die gerade Schublinie hergestellt.
Die Kraft der 4 BC-Motoren sollte ausreichen, das wegen der Reparaturen auf nunmehr 7kg zugenommene Raketenflugzeug, in den Himmel zu katapultieren.
IIch bin selbst gespannt, wenn ich die Montagedummys mit den Spezial-BC-Booster ersetzen kann.

So weit das Konzept... es bleibt auf jeden Fall spannend...  03.03.2005

Zur Herstellung der Brems-BC-Verkleidung wurde zuerst eine kleine Tiefziehform vom BC-Bremsdummy (die Nasenverkleidung) gemacht.
Nach Behandlung mit Trennwachs mit Resten von Glasgewebe und Polyesterharz ausgelegt und härten lassen.

Bei dem Teil muß ich damit rechnen, dass ich es beim Einsatz nie wieder finden werde. Denn es wird ja bei der Zündung des BC's einfach abgesprengt.
Aber die Nase soll noch eine Aufgabe bekommen, und zwar die Triggerung des Doppeltimers, welcher dann nach 1,5s den Pilotschirm und nach weiteren 2s den Hauptschirm aktivieren soll.

Baueinheit Backupsystem. Jetzt wird es langsam voll im Cockpit meiner BC-Natter.
Eine Servo-Zug-Vorrichtung getriggert durch einen redundanten Timer. Links ist ein End-Aus-Schalter. Unterhalb ist ein Halterelais und der Timer untergebracht und darunter in einem seperaten Fach die Stromversorgung des SALT3.
Übrigens, es gibt drei unabhängige Stromkreise (3 x 9V-Blocks)
Die zweite kleine Trennwand ist auch von Vorteil. Die kleinen Styrodur-Blöcke bleiben in der Führung.
Übrigens habe ich mindestens 20 mal den Öffnungsmechanismus ausprobiert. 100%ige Zuverlässigkeit. Der Servo zieht den Bügel heraus, die Fallschirmklappe geht auf und die Styrodurblöcke schalten zuverlässig den Aus-End-Schalter.

Auf der linken Seite, in einem hermetisch isolierten Fach, hat schon mal der SALT3 Platz genommen.

Das Ausstoßsystem Pilotschirm und zentraler Motor.
Als Auswurfladung kommt hier Blitzwatte in Frage. In den kleinen Zylinder (30mm im Durchmesser) ist die Watte locker eingelegt und mit Papier vorne versiegelt.
Da ich für die Natter im zentralen Motorrohr nur noch einen "Hilfsmotor" bzw. einen Rauchentwickler brauche, habe ich mich für einen G64 entschieden. Dafür musste ich noch ein Reduzierstück (29mm/38mm) bauen. Dieses Reduzierstück ist an der Pilotschirmleine mit angebunden und wird mit dem Pilotschirm zusammen durch den Kolben, welcher gleichzeitig zur Aufnahme der Pilotschirmleine dient, ausgeworfen.
 

Durch das hervorstehende Reduzierstück sieht das Heck der Natter nun etwas klumpig aus, aber der Vorteil einen zusätzlichen zentralen Antrieb mit einer schönen Flamme + Rauch und noch dazu einen Pilotschirm zu haben, ist besser.
Der Ausstoßversuch hat hervorragend funktioniert.

Endlich sind die Motoraufnahmehülsen für die Booster eingetroffen. Nun kan die Komplettierung der Antriebe vorgenommen werden.

Dem ist wohl nichts hinzuzufügen... :-)

03.06.2005
Nun endlich ist die Bachem Natter alias BC-Natter fertig
Bauzeit ca. 9 Monate.
Im Design wie der Orginal-Nachbau, so wie er im Deutschen Museum in München steht.
Selbstverständlich habe ich mir einen kleinen Scherz erlaubt, indem ich den Text der Orginalinschrift auf dem Höhenleitwerk mit meinen Daten versehen habe.

Wer die Natter fliegen sehen will, der sollte am 06.August 2005
zum 2. Experimentalraketenwettbewerb nach Ingolstadt (Germany) kommen...

Am 06.August 2005 absolvierte die Bachem Natter ihren 3. Flug

Alle vier Booster-BC’s zündeten perfekt nur das Hecktriebwerk, ein BC125 - Stirnröhrenbrenner, blieb stumm. Deswegen erreichte die Natter nicht die erwartete Flughöhe. Der Flugverlauf war dennoch zufriedenstellend, da das Bremstriebwerk im Bug (ebenfalls ein BC125 - Stirnröhrenbrenner) vorprogrammiert zum idealen Zeitpunkt zündete. Eine Sekunde später wurde der Fallschirm ausgeworfen und das Desaster nahm seinen Lauf. Die Fallschirmleinen rissen ab, und die Bachem Natter bohrte sich ungebremst in den glücklicherweise weichen mit Gras bedeckten Sandboden.

Ein glatter Abriß des Bugs an der Sollbruchstelle. Eine voraussichtlich leichte Reparatur, da ansonsten wie eine Wunder alles andere ganz geblieben ist.

Repariert und auf gehts zum nächsten Abenteuer -
Flug Nr. 4 beim ALRS in der Schweiz. (Oktober 2005)

Diesmal ohne BC-Motoren sondern mit den Originalboostern und nur einem starken Motor (AT I284) im Heck.
Selbstverständlich mit einem verbesserten Hauptfallschirmsystem - Schockband mit parallelem Gummiband, welches den zu erwartenden, ruckartigen Schock des Fallschirmseiles dämpfen soll.

02.10.2005 ALRS VI Neuchatel (Schweiz)

Die Vorbereitungen zum Flug waren dank Checkliste und guter Vorbereitung schnell abgeschlossen und somit konnte der 4. Flug der Natter stattfinden.
Bei nicht gerade Bilderbuchwetter, es war ein regnerischer, nasser aber fast windstiller Sonntag Mittag, ging ich ziemlich optimistisch zu den LSO um die Natter zum Flug anzumelden.
Dabei hatte ich schon bei der Vorbereitung zum Flug bemerkt, dass im Endeffekt der Schwerpunkt des Modells beim Zusammenspiel der Gewichtskräfte (Fallschirm, Gummiband, Motor sowie die leichteren Boosteratrappen) günstiger ausfiel, d.h. weiter vorne lag als beim letzten Flug.
Als die Natter gewogen wurde, ergab sich auch noch, dass das Startgewicht die angegebenen 8 kg unterbot.
Nun war ich erst recht in guter Laune und voller Optimismus, dass es diesmal ein gelungener Flug werden könnte.

Und so war es auch! Die Bachem Natter machte sich auf dem Aerotechmotor I284-W brüllend auf den nahezu senkrechten Weg nach oben, wobei die Flamme so groß wie das Modell selbst war.
Ein phantastischer Moment! Am Gipfelpunkt angelangt vollführte sie ein paar Siegerrollen und machte sich auf dem Weg nach unten. Der SALT verrichtete seine Arbeit und öffnete in 193 Metern das Fallschirmfach.
Der Vorfallschirm zog den Main heraus und die größten Schockkräfte dämpfte das Gummiband, welches sich bis zum äußersten spannte und als es nicht mehr weiterging den Holzsplint (Befestigung am Tubular Nylon) knackte. Das war im Prinzip eingeplant. Die Splinte wirkten hier wie Sherpins. Die Dämpfung hatte voll funktioniert und die Natter schwebte am Fallschirm herab.
Ein großartiges Erlebnis !